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06. Juli 2020

Alle Bußgeldbescheide ab 28.04.20 rechtswidrig?!

Die Verschärfung der Sanktionen im Bußgeldkatalog durch die seit dem 28.04.2020 geltende StVO-Novelle ist bei Verkehrsrechtlern überwiegend auf Ablehnung gestoßen. Insbesondere die Verhängung von Fahrverboten bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts wurde als unverhältnismäßig kritisiert. Verkehrsminister Scheuer hat eine Nachbesserung angekündigt. Diese kann allerdings wegen der Beteiligung des Bundesrats viel Zeit in Anspruch nehmen.

Wegen eines Fehlers bei der Formulierung der entsprechenden Verordnung wird dem Verkehrsminister die Mühe nun aller Voraussicht nach erspart bleiben. Die gesamte Novelle dürfte nichtig sein, weil das sog. verfassungsrechtliche Zitiergebot missachtet wurde (Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG). Dieses Gebot bestimmt, dass die Ermächtigungsgrundlagen für eine Verordnung vollständig benannt werden müssen.

Die Verordnung bezieht sich mit der Zitierung von § 26a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVG  aber nur auf die Ermächtigungsgrundlagen für das Erlassen von Vorschriften über Verwarngelder und Regelgeldbußen – nicht aber für Fahrverbote. Ein Verstoß gegen das Zitiergebot wird vom Bundesverfassungsgericht als so schwerwiegend angesehen, dass er regelmäßig die Nichtigkeit der gesamten Verordnung zur Folge hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 06. Juli 1999 – 2 BvF 3/90).

Umstritten ist nun, ob lediglich die aufgrund der Novelle erlassenen Fahrverbote rechtswidrig sind, oder ob auch Bußgeldbescheide ohne Fahrverbote von vorneherein unwirksam sind. Wegen der engen Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße spricht jedoch vieles gegen eine Teilnichtigkeit und für eine insgesamte Nichtigkeit der Verordnung. Dies bedeutet im Ergebnis, dass sämtliche Bußgeldbescheide für Verstöße die ab dem 28.04.2020 begangen wurden, rechtswidrig sein könnten.

Betroffene sollten solche Bußgeldbescheide dringend von einem auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen lassen. Wir empfehlen derzeit unseren Mandanten fristwahrend Einspruch einzulegen, damit die Bußgeldbescheide nicht rechtskräftig werden. Wir sehen gute Chancen, dass die Bescheide dann aufgehoben werden. Dies entweder bereits durch die zuständige Bußgeldstelle, oder notfalls durch das jeweils örtlich zuständige Amtsgericht.