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24.06.2025

Unterhalt bei überdurchschnittlich häufigem Umgang

In der Praxis werden wir häufig gefragt, wie es sich beim Unterhalt auswirkt, wenn ein Elternteil deutlich häufiger Umgang mit dem gemeinsamen Kind, für das er unterhaltspflichtig ist, pflegt, als üblich. Diese Frage ist in der Rechtsprechung und der Literatur umstritten. Der Stand der Dinge soll machfolgend dargestellt werden. Kontaktieren Sie uns gerne für eine weitergehende individuelle Beratung.

Klassische Modelle

Historisch gesehen ging man zunächst davon aus, dass nach der Trennung der Eltern nur ein Elternteil die Betreuung für das Kind übernehmen könne. Dieser Elternteil, der die Kindesbetreuung in natura übernimmt (Naturalunterhalt), hätte dann auch sämtliche Kosten für das Kind, wie dessen Kleidung und Wohnen, zu tragen. Im Gegenzug war der andere Elternteil dann zum Unterhalt (Barunterhalt) verpflichtet. Nur von diesem Residenzmodell ausgehend wurde dann der Kindesunterhalt berechnet bzw. nach dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und der Düsseldorfer Tabelle ermittelt. Nimmt dabei der Unterhaltspflichtige sein Umgangsrecht im üblichen Umfange war, so hat er die hierbei entstehenden Kosten selbst zu tragen.

 

Nachdem im Laufe der Zeit das sogenannte Wechselmodell immer populärer wurde, bei dem das Kind zu genau gleichen Teilen bei beiden Elternteilen lebt, wurde hierfür ein eigenes Berechnungsmodell für den Unterhalt entwickelt. Dabei ging man im Grundsatz davon aus, dass Kindesunterhalt wechselseitig grundsätzlich nicht geschuldet sei, da beide Elternteile die gleiche Betreuung und damit auch die hälftigen Kosten zu tragen haben (beide leisten Natural- und Barunterhalt). Sofern die Elternteile über unterschiedlich hohe Einkommen verfügen, soll es das Kind beim Elternteil mit weniger Einkommen aber nicht schlechter haben. Die Berechnung des Kindesunterhalts beim Wechselmodell sieht daher einen relativ geringen Ausgleichsbetrag des Ehegatten mit den höheren Einkünften an den Ehegatten mit dem geringeren Einkünften vor.

 

Wechsel im Familienbild hin zum überdurchschnittlichem Umgang

Da die Gesellschaft vom traditionellen Familienbild zunehmend abkommt und es immer öfter üblich ist, dass sich die Väter vermehrt in die Kinderbetreuung einbringen, wird auch zunehmend die Frage relevant, wie es sich auswirkt, wenn die Betreuung des Kindes eben nicht gerade genau gleichmäßig auf beide Elternteile verteilt ist, jedoch ein Elternteil auch deutlich mehr Betreuung übernimmt, als ein üblicher Umgang (in der Regel jedes 2. Wochenende und eventuell noch ein Nachmittag unter der Woche). Die Problematik, dass es unfair erscheint, dass der zum Unterhalt Verpflichtete zwar einen größeren Teil der Betreuung übernimmt und dabei auch die anfallenden Kosten trägt, gleichzeitig jedoch zum vollen Kindesunterhalt verpflichtet ist, wird in der juristischen Literatur und teilweise auch in der Rechtsprechung durchaus gesehen, eine einheitliche Lösung oder ein obergerichtliches Urteil besteht aber nicht.

 

Um die Problematik gänzlich verstehen zu können, muss aus meiner Sicht noch ein weiteres Urteil des Bundesgerichtshofs mit einbezogen werden. Der BGH hatte entschieden, dass der Unterhaltspflichtige zwar nur nach seinem Einkommen Unterhalt zahlen muss, der andere Elternteil, der grundsätzlich die Betreuung in natura erbringt, jedoch den Teil des Barunterhalts selber zu tragen hat, der sich nach der Düsseldorfer Tabelle und dem Unterhalt aus beiden Einkommen zusammen darüber hinaus ergibt. Sofern der betreuende Elternteil Ehegattenunterhalt erhält, stellt dieser weitere Unterhalt eine Belastung dar, die letztlich dazu führt, dass der betreuende Elternteil die Hälfte dieses Mehrbetrages als Ehegattenunterhalt erhält.

 

Diskutierte Lösungsansätze

Einen ersten Vorschlag einer Lösung dieses Problems in der Unterhaltsberechnung nahm der ehemalige Vorsitzende des Familiensenats am Bundesgerichtshofs Dose zusammen mit seiner Lebensgefährtin Rubenbauer vor. Hierbei wird im Ergebnis das Verhältnis der Einkommen mit dem Verhältnis der Betreuungsleistungen gemittelt und so der Gesamtunterhalt für das Kind nach dem beiderseitigen Einkommen aufgeteilt. Der ehemalige Richter Borth nimmt diese Grundidee auf und wandelt sie etwas ab, sodass sich bei ihm der zu zahlende Unterhalt sich nicht so stark reduziert.

 

In der Rechtsprechung wird bisher, soweit ich dies übersehen kann, keine der vorgenannten Lösungsansätze übernommen (da die entsprechenden Juristen eben auch gerade keine Richter mehr sind). Dem Unterhaltspflichtigen wird hier der Regel, wenn überhaupt, nur im geringen Umfange entgegengekommen, beispielsweise durch eine Reduzierung des zu zahlenden Kindesunterhalts um eine Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle oder um geringe pauschale Abschläge. Hier bleibt abzuwarten, wie die Oberlandesgerichte und vor allem wie der Bundesgerichtshof diese Problematik grundsätzlich entscheidet.

 

Ergebnis und Bewertung

Im Ergebnis muss man also feststellen, dass derzeit dem Unterhaltspflichtigen, der vermehrt Umgang mit dem Kind hat, kaum bei der Höhe der Unterhaltszahlungen entgegengekommen wird. Da das Problem in der Rechtsprechung und Literatur aber bekannt ist und gelöst werden soll, ist zu hoffen, dass hier bald eine einheitliche Regelung gefunden wird, die den Unterhaltspflichtigen, der ein Teil der Betreuung übernimmt, auch bei seiner Unterhaltszahlung deutlicher entlastet.

 

Meiner Meinung nach lässt sich die Begründung der Berechnungsmethode von Dose/Rubenbauer zwar aus dem Gesetz herleiten, am Ende halte ich es aber für etwas zufällig, das Verhältnis der Betreuung mit dem Verhältnis der Einkommen zu vergleichen und zu mitteln. Aus meiner Sicht müsste man danach schauen, welche Kosten sich der betreuende Elternteil durch die Übernahme der Betreuung des Unterhaltspflichtigen erspart (insbesondere eine Pauschale für die täglichen Lebensmittel). Diese Kosten könnten dann vom Unterhalt in Abzug gebracht werden. Die Kosten, die der Unterhaltsverpflichtete zusätzlich in Kauf nimmt, um den vermehrten Umgang wahrzunehmen (wie beispielsweise erhöhte Wohnungskosten) sollte er bei der Unterhaltsberechnung einkommensmindernd ansetzen dürfen, was ihm insbesondere dann deutlich entlasten würde, wenn neben dem Kindesunterhalt auch Ehegattenunterhalt von ihm zu zahlen ist.