Unterhalt bei erweitertem Umgang: Auswirkungen auf die Unterhaltspflicht
Immer häufiger leben getrennt erziehende Eltern Betreuungsmodelle, die weder dem klassischen Residenzmodell noch dem paritätischen Wechselmodell entsprechen. Kinder verbringen inzwischen deutlich mehr Zeit beim umgangsberechtigten Elternteil, teilweise sogar wochenweise. In vielen Fällen führt dies zu der Frage, ob und in welchem Umfang der Kindesunterhalt anzupassen ist – etwa wenn ein Kind regelmäßig zwei Wochen beim anderen Elternteil verbringt. Die rechtliche Einordnung solcher Fälle ist komplex, da die Rechtsprechung bislang keine einheitlichen Grundsätze entwickelt hat. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Stand.
Residenzmodell als Ausgangspunkt der Unterhaltsberechnung
Die gängige Grundlage der Unterhaltsberechnung bleibt das Residenzmodell. Ein Elternteil übernimmt den überwiegenden Teil der Betreuung und leistet damit den sogenannten Naturalunterhalt. Der andere Elternteil ist zum Barunterhalt verpflichtet. Die Höhe richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle und dem bereinigten Einkommen des Unterhaltspflichtigen.
Der übliche Umgang führt grundsätzlich nicht zu einer Verringerung der Unterhaltspflicht. Auch ein deutlich erweiterter Umgang innerhalb eines ansonsten klassischen Residenzmodells führt nach derzeitiger Rechtsprechung nicht automatisch zu einer Reduzierung des Unterhalts.
Wechselmodell: Unterhaltspflicht bei hälftiger Betreuung
Das Wechselmodell setzt eine annähernd hälftige, tatsächlich ausgeübte Betreuung voraus. Erst dann stellt die Rechtsprechung auf eine Berechnung nach beiderseitigem Einkommen ab. Beide Elternteile leisten in diesem Modell Natural- und Barunterhalt. Der Elternteil mit dem höheren Einkommen zahlt einen Ausgleichsbetrag, um annähernd gleiche Lebensverhältnisse in beiden Haushalten zu gewährleisten.
Die Schwelle für das Wechselmodell ist hoch. Eine Betreuung von etwa 35 bis 45 Prozent genügt nicht. Erst eine tatsächliche, über einen gewissen Zeitraum gelebte annähernd paritätische Betreuung führt zur Anwendung der speziellen Wechselmodellberechnung.
Erweiterter Umgang: Zwischen Residenz- und Wechselmodell
Der Bundesgerichtshof hat in grundlegenden Entscheidungen festgelegt, dass im echten Wechselmodell beide Elternteile nach ihrem jeweiligen Einkommen zum Barunterhalt beitragen. Für Modelle unterhalb der 50/50-Schwelle lassen sich daraus jedoch keine verbindlichen Regeln ableiten.
Einige Gerichte gestehen im Einzelfall geringe pauschale Abschläge zu oder stufen den Unterhaltspflichtigen eine Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle herab. Eine verlässliche und einheitliche Linie existiert jedoch nicht. Die Frage, ob und wie der Unterhalt wegen Mitbetreuung zu kürzen ist, bleibt damit weitgehend ungeklärt.
Diskutierte Modelle zur Berücksichtigung erhöhter Betreuung
In der juristischen Literatur wurden unterschiedliche Ansätze entwickelt, um die Besonderheiten asymmetrischer Betreuungsmodelle abzubilden. Besonders hervorgehoben wird das Modell von Dose und Rubenbauer. Dieses verknüpft das Verhältnis der Einkommen mit dem Verhältnis der Betreuungsanteile. Die Idee ist, den Gesamtunterhalt rechnerisch entsprechend dem Betreuungs- und Einkommensverhältnis aufzuteilen.
Borth greift diesen Ansatz auf, schwächt dessen Auswirkungen jedoch ab, um zu vermeiden, dass der Barunterhalt zu stark reduziert wird. Beide Modelle werden kontrovers diskutiert, haben sich in der Rechtsprechung aber bislang nicht durchgesetzt. Sie dienen eher der Orientierung als einer verbindlichen Berechnungsmethode.
Einordnung der aktuellen Rechtslage und perspektivische Entwicklungen
Der erhöhte Betreuungsanteil führt regelmäßig zu erheblichen Mehrkosten, die das geltende Unterhaltssystem kaum widerspiegelt. Das Spannungsfeld zwischen tatsächlichem Betreuungsumfang und unterhaltsrechtlicher Bewertung bleibt bestehen. Die derzeitige Rechtslage bevorzugt letztlich das klassische Residenzmodell, auch wenn dieses faktisch zunehmend von asymmetrischen Betreuungsmodellen abgelöst wird.
Solange keine gesetzliche Klarstellung oder höchstrichterliche Leitentscheidung vorliegt, bleibt es bei einer Einzelfallbetrachtung. In Konstellationen mit deutlich erweitertem Umgang oder nahezu hälftiger Betreuung empfiehlt sich daher zwingend eine individuelle Prüfung der Einkommens- und Betreuungssituation.
Rechtliche Unterstützung bei erweiterten Betreuungsmodellen
Die Unterhaltsberechnung bei erweitertem Umgang, asymmetrischen Betreuungsmodellen oder einer Annäherung an das Wechselmodell ist komplex und von mehreren Faktoren abhängig. Wir unterstützen Sie dabei, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verstehen und mögliche Anpassungen fachkundig zu bewerten.
FAQs – Häufig gestellte Fragen
Nein. Eine spürbar ausgeweitete Betreuung führt derzeit nicht automatisch zu einer Anpassung des Barunterhalts.
Erst bei annähernd hälftiger und tatsächlich gelebter Betreuung über einen längeren Zeitraum.
Nein. Ein solcher Zeitraum allein ist nicht ausreichend.
Er richtet sich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile. Der besserverdienende Elternteil zahlt einen Ausgleich.
Diese trägt grundsätzlich der Elternteil, der den erweiterten Umgang ausübt.
Einige Gerichte gewähren geringe Abschläge, eine einheitliche Regelung besteht jedoch nicht.
Der erweiterte Umgang liegt unterhalb der 50/50-Schwelle und führt regelmäßig nicht zu einer Anpassung des Unterhalts.
Nur in seltenen Fällen und ohne festes Berechnungsmodell.
Vor allem die Modelle von Dose/Rubenbauer und Borth, die Betreuungsanteile rechnerisch berücksichtigen.
Sobald der Betreuungsanteil deutlich über den üblichen Umfang hinausgeht oder Unsicherheiten zur Unterhaltsberechnung bestehen.